Montag, 30. März 2015

Trampelpfad und Spurensuche

He, du. Steh auf.


Steh endlich auf und geh weiter, geh deinen Weg, Schritt für Schritt. Einen Schritt nach dem anderen und nicht 5 auf einmal, das funktioniert nicht. Du bist schließlich kein Tausendfüßler. Und auch keine Antilope, also renn nicht so. Egal, wie schnell sich das Karussell des Lebens dreht, egal wie schnell deine Mitmenschen sprinten, egal wer dich überholt und an dir vorbeizieht. Leb doch das Leben in deinem eigenen Tempo, auch mal Schneckentempo, stehenbleiben. Stehenbleiben, Innehalten, Atmen. Atem holen, einfangen, Verschnaufpause. Und weiter, immer weiter, Schritt für Schritt. Deine Schritte, deine Füße, dein Weg, nicht der der anderen. Hier geht es darum, Spuren zu hinterlassen, Spuren, die zurückbleiben, die dir zeigen, was du schon alles geschafft hast. Spuren, die zurückbleiben, im Leben anderer Menschen und in deren Herzen und in deinem Herzen. Das sind deine Abdrücke, unverwechselbar, unverkennbar. Niemandsland, Holzweg, Sackgasse. Gehe Wege, die noch niemand ging und gehe sie mit Vertrauen, deine Füße tragen dich schon. Folge ihnen, folge deinem Herzen. Es gibt keine Wegweiser. 

Eure Jül

Donnerstag, 19. März 2015

Mittendrin und doch nicht dabei

Ich bin mittendrin im Leben, aber es ist kein Leben in mir. Ich bin mitten unter Menschen, aber sie erreichen mich nicht. Sie berühren mich nicht, obwohl ich nah genug bin, um sie berühren zu können. Ich müsste nur die Hand ausstrecken und teilhaben, müsste berühren und berühren lassen, müsste raus aus meinem Käfig, raus aus mir.

Ich sehe sie, die anderen. Wie sie vor mir lächeln und lachen, um mich herum. Die Luft ist erfüllt vom hellen Klang ihrer Rufe, die Luft tanzt, bewegt von den Melodien ihrer Stimmen. Die Luft ist dicht und schwer, das Lachen süß wie Honig, es bleibt an mir kleben und hüllt mich ein. Aber es zieht mich nicht mit. Ich will doch. Will doch dabei sein und lachen und leben und strecke die Hand aus und stoße auf Glas.

Ich sehe sie und ich sehe die Schönheit von allem, was mich umgibt, ich sehe jedes kleine Detail messerscharf, alles ist transparent, alles durch Glas. Ich sehe es, ich kann es nicht fühlen, bin umgeben von Glas, gefangen darin, Aquarium.

Ich will doch. Will das Glas durchbrechen und spüren und leben. Berstendes Glas. Die Luft wird erfüllt vom klirrenden Geräusch, schmerzhaft hell. Schmerz in meinen Händen, Splitter auf der Haut. Sie funkeln, fangen das Licht ein und werfen es von sich in allen Farben, Scherben. Ich liege in Scherben und setze mich neu zusammen, Stück für Stück.

Ich sehe sie und ich sehe mich und sehe die Schönheit meiner Scherben, ich sehe in ihnen jede Farbe des Universums, alles ist bunt, alles voller Leben. Ich mache Facetten aus den Scherben und bin nicht mehr aus Glas, bin nicht mehr ganz. Bin immer noch zerbrechlich, aber echt und voller Leben. Ich bin mittendrin und ich bin bunt.


Jule

Dienstag, 17. März 2015

Alltag mal anders

Worte haben Kraft, Worte können Menschen bewegen, Dinge in Bewegung bringen. Worte können verletzen und enttäuschen, aufmuntern und überzeugen. Worte können entzweien, Nähe schaffen und Distanz, wärmende Worte können helfen, stützen, auffangen. Weise Worte können beruhigen, dich beruhigen, mich beruhigen.

Ich versuche, passende Worte zu finden, suche nach Wörtern, dich mich überzeugen und vielleicht auch euch. Überzeugen davon, dass auch der Alltag gelebt werden muss, dass er es wert ist, gelebt zu werden. Davon, dass Abläufe, die sich wiederholen, immer und immer wiederholen, doch nicht dieselben sind. Dass Routine gar nicht so schlecht sein muss.

Von all dem versuche ich mich zu überzeugen, während ich im Unterricht (anders kann man das in Frankreich wohl nicht nennen) sitze und offensichtlich nicht bei der Sache bin. Der Zeiger meiner Uhr hat sich entschieden, die Sonnenstrahlen zu ignorieren und befindet sich im Winterschlaf. Und auch ich kämpfe gegen die Attraktivität eines Nickerchens an, demotiviert von der Aussicht auf einen weiteren, langen Unitag.

Alltag. Synonym für Routine, Wiederholung, Langeweile. Oder? Vielleicht auch Synonym für Struktur, Sicherheit, Gelassenheit. Ich weiß am Morgen, was auf mich zukommt,  was mich erwartet, was ich als Nächstes tue. Ich weiß, wann ich es tue. Das gibt mir Sicherheit, das Leben fließt in gemäßigtem Tempo vor sich hin und ich kann mich ein bisschen zurücklehnen. Und einfach den Alltag genießen, das Alltägliche, das aus einem anderen Blickwinkel vielleicht gar nicht mehr so alltäglich, sondern schon besonders ist. Oder aber ich durchbreche die Routine, im Kleinen. Bin mal anders im Gleichen, ein anderer Weg, ein anderes Outfit, ein anderes Mittagessen, andere Menschen. Ich mach mir meinen Alltag einfach besonders und vielleicht überrascht mich der Alltag ja mit Besonderem.

Und wenn nicht? Dann freue ich mich eben auf’s Wochenende :)


Eure Jül

Donnerstag, 12. März 2015

Wanderlust

Ich muss raus. Raus aus dieser Enge, dieser Stadt, raus aus meinen Gedanken, auf andere Gedanken kommen. Ich muss mal was anderes sehen als jeden Tag das gleiche, beengende Unigebäude, die gleichen Menschen, ständig Menschen, permanent Menschen um mich und permanente Gedanken in mir. Also los, den wohl sonnigsten Tag des noch jungen Jahres abgewartet, den Rucksack geschultert, die Sonnenbrille auf der Nase und die Sonnencreme vergessen. Ich allein, mit mir und meinen Gedanken, die ich versuchte loszuwerden.

Ich habe mich auf den Weg gemacht, auf meinen Weg. Naja nicht ganz, ich hatte einen Plan, einen Plan von meiner Wanderung, den ich aber sogleich über den Haufen werfe, als ich den Luftzug der an mir vorbeirasenden Autos spüre, auf einer stark befahrenen Straße, die sich in Serpentinen den Berg hochschlängelt. Ja, ich wollte eigentlich in die Natur, habe aber eine Abzweigung verpasst. Was soll‘s, selbst ist die Frau, denke ich mir und strecke die Hand aus, den Daumen nach oben. Und siehe da, es funktioniert, es gibt sogar echt nette Leute. Ich revidiere meine Abneigung gegen Menschen ein bisschen und bin ein bisschen stolz, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben allein getrampt bin. Passenderweise am Weltfrauentag :)

Und jetzt, fast 3 Stunden später? Jetzt sitze ich inmitten der Vulkanlandschaft und lasse mir die Sonne auf’s Gesicht scheinen, die warmen Strahlen kitzeln mich fast. Vor mir erhebt sich der wohl bekannteste Vulkan der Auvergne – Puy de Dôme – in seiner vollen Pracht, schwarz und weiß, Lavagestein und Schnee. Hinter mir liegen die achttausend Stufen, die zum Gipfel des Puy Pariou führen und die ich gerade erklommen habe. Okay, vielleicht übertreibe ich ein wenig. Ich schließe die Augen und höre von Weitem die Vögel, die der Sonne zu Ehren ein Konzert geben, ich höre leise lachende Kinder, die die Treppen rauf-und runterspringen als hätten sie Sprungfedern in den Beinen. Ich höre all das, aber doch höre ich nichts. Alles ist friedlich, alles ist ruhig. Aber in mir tobt es.


Meine Gedanken rasen, jagen sich, drehen sich im Kreis, so schnell, dass ich sie weder fangen noch anhalten, weder Anfang noch Ende ausmachen kann. Ich bin auf dem Weg, auf meinem Weg. Aber ich weiß nicht, wohin er führt, ich weiß nicht, in welche Richtung ich gehen soll, welche Abzweigung ich nehmen soll. Genauso wenig weiß ich, ob ich meine Wanderung fortsetzen oder den Rückweg einschlagen soll. Noch kann ich zurück, den Weg kenne ich, doch ich kann auch weitergehen, einfach gehen, die Landschaft und der Nachmittag liegen vor mir. Ich brauche keinen Plan, keinen Kompass, keine Karte, ich gehe einfach, folge meinen eigenen Schritten. Ich weiß nicht, wohin ich mich führe, wie anstrengend der Weg wird, ob sich der Aufstieg lohnt, was danach kommt. Wie viel Zeit ich verliere. Oder gewinne?


Ich weiß es nicht. Ich habe Angst vor dem nächsten Schritt, Angst vor dem Weg, weil ich ihn nicht sehen kann. Aber umdrehen ist keine Option, aufgeben auch nicht, also weiter. Genau diesen Weg schlagen meine Gedanken ein als ich mich auf den Weg mache, den Puy de Dôme noch zu erklimmen. Ich will mehr, ich will höher hinaus, Schranken setzen mir nur meine Gedanken. Und ich, ich gehe einfach weiter, vertraue auf meine Schritte, auf meinen Weg. Der ist eisig und verschneit, aber ich kämpfe mich weiter, höher, und werde belohnt. Mit einer Aussicht, die mein Herz schneller schlagen lässt. Zu meinen Füßen liegt die Auvergne, weiches Grün und Spielzeughäuser und vor meinen Augen fliegen Menschen, schweben mit Fallschirmen durch die Luft. Und meine Gedanken? Meine Gedanken fliegen mit.

Zurück musst ich trotzdem: Per Anhalter natürlich, mit sonnenverbranntem Gesicht und Sommersprossen, verschwitzt und erledigt, aber glücklich. Meine Füße tragen mich noch und meine Gedanken gehen mit, im Gleichschritt mit mir. 

Eure Jül

Samstag, 7. März 2015

Eine Ode an den Winter

Gerechtigkeitshalber. Und um den Winter würdevoll zu verabschieden.

Winter. Winter überall.

Schnee. Schnee überall. Schnee in meinen Augen, in meiner Nase, in meinem Mund. Ich huste und blinzele und schniefe, aber sehen und riechen kann ich nichts. Nur fühlen. Ich fühle die Eiskristalle auf der Haut, wie sich mich pieken und stechen und in meinem Haar hängen bleiben. Ich fühle die Kälte des Schnees neben mir, fast angenehm empfinde ich sie auf meinem erhitzten Gesicht und stelle fasziniert fest, dass die Flocken, die sich auf meine Nase, meine Wangen, meine Stirn setzen, sofort zu schmelzen beginnen und in feinen Fäden an meinen Schläfen herabrinnen, sich in meinen Haaren verlieren. Schneeflocken setzen sich auf meine Wimpern, ich sehe nur noch weiße, bunte, unscharfe Punkte, in denen sich das schwache Sonnenlicht bricht und zu seltsam farbigen Tupfen wird. Ich höre nichts, bin umgeben von einer undurchdringlichen Stille, einer Stille, die mich einhüllt wie eine wärmende Decke. Kalte Schneedecke. Und plötzlich muss ich lachen, muss die Stille zerplatzen lassen, muss lachen, bis mir die Tränen kommen und sich mit den Flocken vermischen, salzig und kühl. Ich muss lachen über mich selbst und meine Tollpatschigkeit, über meinen Stolperer und meine unsanfte, aber dennoch weiche Landung im Schnee. Ich lache über mich und das Leben, das mir so leicht scheint in diesem Moment, in diesem Moment, der tanzt wie die Schneeflocken vor meinen Augen.

Lichter. Lichter überall. Lichter, die mit ihrem warmen, bunten Licht gegen die Dunkelheit und Kälte ankämpfen. Mit Erfolg, die Stadt leuchtet und mit ihr meine Augen sowie die Augen der Menschen um mich herum. Tausende Menschen, große, kleine, die sich alle auf dem Rathausplatz in Lyon zusammendrängen, um möglichst viel vom Leinwandgeschehen mitzubekommen. Ich blicke neben mich und sehe ein junges Mädchen, das wie gebannt und mit offenem Mund auf die Hausfassade starrt, wo Leinwandprojektionen und Lichterspiele ihr Bestes geben. Das Mädchen hat wohl alles um sich herum vergessen, fasziniert betrachtet es dieses Lichtspektakel, das Geschichten auf Häuser malt und ein Feuerwerk an Farben in die Luft, das dem Dunkel der Nacht kontrastiert und sich als pastellfarbenes Gemälde auf seinem Gesicht wiederfinden lässt. Ich tue es ihm gleich, ich tauche ein in diese bunte Lichterwelt und werde mitgerissen, sogleich mitgerissen von meinen Mädels, die mich an der Hand nehmen und mich weiterziehen. Als lange Menschenkette bahnen wir uns den Weg durch die Massen, zum nächsten Schauplatz der „Fête des Lumières“.


Kälte. Kälte überall. Eine eisige Kälte, die sich nicht von meinen zig Kleidungsschichten abhalten lässt, jegliches Leben aus meinen Füßen und Händen gestohlen hat und meine Nasenspitze in ein hübsches Rot getaucht hat. Ich zittere und bibbere und wippe auf und ab, aber nein, kein Anflug von Wärme. Wir hätten in den Süden fahren sollen, denke ich mir, als ich auf die kalten Glasfronten der Hochhäuser blicke, die nicht unbedingt dazu beitragen, dass mir wärmer wird. So beeindruckend sie auch sind, das muss ich zugeben. Ich greife nach der Hand neben mir, genauso eisig wie meine ist sie. „Sorry, ich habʼ immer kalte Hände“, kommt es entschuldigend. Na was sollʼs, die Hand will ich trotzdem nicht mehr loslassen, schön sieht sie aus, wie sie sich mit meiner verschränkt hat. Ich erkenne winzige Härchen und lasse meinen Blick weiter nach oben wandern, verweile auf seinem Gesicht, das mich sofort zum Lächeln bringt. Ich sehe blau-orange, will mich hineinfallen lassen in diese Augen, meinen Blick nie wieder abwenden und seine Hand nie wieder loslassen. Und mir wird warm, angenehm warm an diesem kalten Wintertag, dessen frostige Temperaturen keine Chance haben gegen die Wärme des Augenblicks.


Eure Jül

Dienstag, 3. März 2015

Bunte Kiste: Februar 2015

Heimweh & Fernweh. Fasching & Feierlaune. Wiedersehensfreude & Vermissen. Trauer & Glücksmomente.



Gefreut über: die Entstehung meines Blogs natürlich, Post, Glücksmomente, zufällige Begegnungen, Snowboarden, das Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand (für mehr Infos schaut doch mal beim Blog von meiner Kommilitonin, Freundin und Mitbewohnerin Vicky vorbei: http://poulette-dingue.blogspot.fr/2015/02/sans-esperances.html)

Geärgert über: meinen Stundenplan, deutsch-französische Gruppenreferate und Menschen, die mir mein Glück nicht gönnen

Auszüge aus meinem Tagebuch:

„Hab‘s satt. Zeit wird’s heimzufahren.“

„Vielleicht ist das alles gut so. Vielleicht muss es so sein. (…) Egal was ist, es bleibt mir immer noch der Moment (…) Ich will leicht sein in der Schwere des Lebens. Ich will fliegen ohne Angst vor dem Fallen zu haben. Ich will mein eigener Sommer im Winter sein.“

„Lachen. Lachen bis die Tränen kommen. Ich hatte schon vergessen wie sich das anfühlt, aber heute kam ich wieder in den Genuss, endlich wieder!“

„Möchte das ausradieren, meine Gefühle ausradieren, mich ausradieren. Das Leben zeichnet leider nicht mit Bleistift, verdammt.“

„Wie viele Tränen hat ein Mensch?!“

„Aber nein, wir sind alle 5 Jahre alt.“

Und der März?

Ich freue mich auf: die ersten Sonnenstrahlen, die Bücher, die sich neben meinem Bett stapeln, Fotografieren bei gutem Wetter, eine Geburtstagsparty in der französischen Pampa und hoffentlich einen Wochenendtrip nach Bordeaux… Stay tuned :)

Jule

Sonntag, 1. März 2015

Frostschutz und Herzenswärme

Unten erwähnte "Gegendarstellung":

Was, wenn es mir nicht gut geht? Wenn ich Zweifel habe? An mir, an meinem Leben, an den Worten, die ich sage und den Gefühlen, die ich habe. Was, wenn ich traurig bin? Darüber, dass sie nicht mehr da ist. Dass er nicht bei mir ist und ich zu weit weg bin. Was, wenn ich mich nicht spüre? Wenn alles in mir taub ist und kalt und leer? Dann gibt es diese Menschen. Diese Menschen, die mich hören und mich wärmen und mich füllen.

Ich denke manchmal, ich bin allein. Allein mit meinen Zweifeln, meiner Traurigkeit, ich bin in einem Zimmer ohne Fenster, aber mit Türen, mit verriegelten Türen. Das Zimmer ist leer, ich bin allein, ich bin leer. Ich bin das Zimmer. Ich bin es, die Türen verriegelt. Ich habe die Schlüssel, kann die Türen öffnen, kann mich öffnen.

Und dann? Dann sind da diese Menschen. Ich werde gehört, ernst genommen, in den Arm genommen. Worte, die mich trösten, die mich zum Lachen oder zum Weinen bringen. Oder zum Weinen vor lauter Lachen, lautem Lachen.

Ein Gruß von einem Unbekannten. Einfach so. Eine Einladung von einer Unbekannten. Einfach so. Ein Kompliment via Internet, das mir die Röte ins Gesicht treibt und mich zum Grinsen bringt, ein anderes Kompliment, eine Karte mit lieben Worten und noch mehr Liebe zwischen den Worten. Umarmungen, die mich halten und mich füllen. Ein Brief mit Gedanken und Gefühlen aus bunten Bildern, die in allen erdenklichen Farben in mir leuchten. Ein Smiley, der mehr sagt als tausend Worte. Ein Lächeln, das mehr sagt als tausend Smileys. Danke, dass ihr da seid, danke, dass ihr mich wärmt.

Ich trage immer noch drei Jacken. Aber mir ist nicht mehr kalt :)

Eure Jule

Kälteeinbruch und Frostgefahr

Folgenden Text habe ich bereits vor ein paar Wochen geschrieben. Ich bin zwar mittlerweile eines Besseren belehrt worden und habe eine Art "Gegendarstellung" verfasst, wollte ihn euch aber trotzdem nicht vorenthalten:

Sonne, Wärme, wie fühlt sich das an? Sonne in deinem Gesicht, Wärme auf meiner Haut. Licht in meinem Lachen, Schattenspiele in deinem Haar. Weg, weit weg. Nichts als Kälte und Eis um mich, um mich herum und in mir. Mir ist kalt. Ja, es ist Winter, es liegt Schnee und es hat Minusgrade. Und ich bin eine Frostbeule und habe grundsätzlich eiskalte Hände. Aber es ist nicht die Jahreszeit, die mich frieren lässt. Nein, eigentlich mag ich den Winter. Vielmehr ist es die Abwesenheit von Wärme, von deiner Wärme. Von Menschenwärme, Herzenswärme.


Ich gehe auf die Straßen und mir ist trotz drei Jacken kalt. Mir wird auch nicht warm, denn jedes Gesicht, das ich sehe, ist verschlossen, jedes Lächeln gefroren und nach jedem Wort hängen Eiszapfen in der Luft. Fällt das nur mir auf? Jeder schaut auf sich, niemand nimmt den anderen wahr, alle sind Luft. Menschen verletzen sich, mit Worten, Worten, die schneiden wie die eisige Luft an meinen Wangen. Menschen ignorieren sich, sind Luft füreinander, Luft, die undurchdringlich dicht ist wie der Nebel, der über der Erde hängt wie eine dicke Decke. Menschen hassen sich, nehmen sich die Luft zum Atmen und existieren nur für sich.

Was ist los mit euch? Seht ihr nicht, dass ihr blind seid? Blind vor Arroganz, vor Egoismus, vor Narzissmus. Hauptsache, euch geht es gut. Hauptsache, ihr habt Geld, Erfolg und macht Karriere. Die anderen? Die, die Hilfe brauchen, die eure Hilfe brauchen? Die, die auf ein aufmunterndes Lächeln, auf ein hilfreiches Wort und eine tröstende Umarmung hoffen?

Denen ist kalt. Trotz drei Jacken.


 Eure Jül