Freitag, 1. April 2016

Bunte Kiste: März 2016

Sirenen und Stille. Betroffenheit und Schockzustand. Solidarität und Mitgefühl. Ausnahmezustand, positiv. Großstadt und Wiedersehen. Leben genießen, mit ein bisschen Leichtsinn.


Gefreut über: die beste Schokolade und weltbeste Sandwiches, ein bisschen gendern am Weltfrauentag, ein bisschen Frühling, dieses geniale Reggae-Konzert, Random facts und Stoppelfeten, kommende Wecker, stehengebliebene Uhren und die immer größer werdende Zeitverschiebung, St- Patricks-Feierei, eine große Putzaktion, eine Zusage, Arche-Gefühl, Zusammenhalt und Fürsorge. Meine letzte Seminararbeitskrise und die damit verbundene beste Entscheidung. Dieses London-Wochenende mit Schwesterherz, Street Art in Brick Lane, gute Gene, äthiopischen Kaffee, den perfekten Sprint zum Zug, das teuerste Bier und die teuerste Pizza und einen falschen ersten Eindruck

Geärgert über: Weiß ich nicht mehr. Unbedeutend vermutlich. So eine Erfahrung relativiert alles.

Auszüge aus meinem Tagebuch:

„Ja, vielleicht hat er Recht. Vielleicht sollte ich die Kontrolle abgeben. Vielleicht hindert mich das am Leben, bindet mich am Denken. Er ist beeindruckt, von meinem Willen mich zu kontrollieren. Der Wille, der mich fast zerstört hätte. Der mich gerettet hat. Tut er immer noch. Aber vielleicht ist es jetzt an der Zeit, Kontrolle abzugeben, nicht an ihn, an das Leben. Um mich überraschen zu lassen, nicht nur von ihm, auch vom Leben.“

„(…) und ich habe in endlos langer Ignoranz mit meinem Körper in ihm neben ihm hergelebt ohne zu leben, überleben. Gut, dass ich aufgewacht bin. Dass ich geändert habe, verändert, mich verändert. Dass ich akzeptiere, meistens. Dass ich lebe, jetzt wirklich, jetzt wieder. Jetzt sowieso intensiver.“

„Genug, um stolz zu sein. Zu wenig, um mich damit zufrieden zu geben?“

„Tja, da wuselt die Absurdität dieser ganzen Situation um mich rum, prasselt auf meine Nerven und ich bleibe einfach gelassen. Grinse ihn an und beiße in mein Ziegenkäse-Lavendelhonig-Blaubeer-Sandwich.“

„Wer hätte gedacht, dass ich mir Selfie-Abende nicht mehr fest vornehmen muss. Dass ich ganz automatisch gern allein bin, mit mir und meinen Gedanken. Wer hätte gedacht, dass ich, ich, die mindestens drei Mal pro Woche mit irgendjemandem geskypt hat, eine regelrechte Abneigung gegen virtuellen Kontakt entwickelt. Dass ich Small Talk vermeide, überspringe. Und ja, mag sein, manchmal fühlt es sich einsam an. Ich brauche niemanden, bin stark, bin überlebens- und anpassungsfähig, überall. Ich komme klar, alleine, irgendwie. Weil ich mit mir klarkomme, niemanden brauche, der mein Glück ausmacht. Und trotzdem ist es schön, umgeben zu sein, von Menschen, Menschen, die ich vielleicht kaum kenne, oder gut kenne, oder irgendwelchen Menschen, weil Nähe, weil Vertrauen, weil Verständnis. Berühren, bewegen, beruhigen. Aufwühlen, reizen, provozieren. Weil Glück geteilt viel schöner ist.“

„Hab' ich was im Gesicht oder wieso grinsen mich alle Leute, denen ich begegne, an? Spiegelcheck. Ah ja, hab wirklich was im Gesicht. Auf den Lippen, um genau zu sein. Ein Lächeln, permanent quasi. Also ist wohl nur meine gute Laune ansteckend :)“

„Wünsch dir was. Jetzt. Dann ist es Frieden. Jetzt. Dann braucht es dazu wohl zentnerweise Feenstaub.“

„Da sitze ich in meinem Brüsseler Kabuff, bin in Sicherheit und bin gerührt, dass so viele an mich denken. Nur du nicht. Keine Frage, kein Lebenszeichen. Dabei müsstest du doch wollen, dass ich dir eins sende. Oder? Denkst du noch an mich? Oft? Manchmal? Wenigstens heute? Würde es dich kümmern, stieße mir etwas zu? Dich aus der Bahn werfen? Fragst du dich manchmal, wie es mir geht, was ich mache?  Wenigstens heute? Ich frage mich all‘ das. In Bezug auf dich. Denn ich vermiss‘ dich, nicht akut, keine Sorge. Eher rational, kalkuliert. Das tut auch nicht mehr weh, fühlt sich eher an wie ausgekauter Lila-Lieblings-Airwaves-Kaugummi. Wenn man weiß, dass es der letzte war und man keinen Nachschub kaufen kann. Und den Geschmack vermisst.“

„Verstecken? Einschließen? Weglaufen? Ganz bestimmt nicht. Als würde das irgendjemandem irgendetwas bringen. Sicherheit gegen Freiheit. Als wäre das ein guter Tausch. Als würde es dir mit ein bisschen mehr Sicherheit besser gehen, wenn du dafür die Freiheit aufgibst, dahin zu gehen, wo du willst und das zu machen, was dir beliebt. Ich schlucke, schlucke den kleinen, festen Angst-Kloß so gut es geht hinunter und öffne die Tür. Erster Schritt nach draußen. Die Sirenen heulen auf, gar nicht so weit weg. Verängstigte Gesichter, gehetzte Blicke. Und die Sonne scheint, als wäre nichts gewesen.“

„Man gewöhnt sich an alles. Sogar an den widerlichen Chlorgeschmack des verkalkten Wassers hier. Man gewöhnt sich an alles. Sogar an das nasskalte Wetter hier. Man gewöhnt sich an alles. Sogar daran, dass du fehlst. Man gewöhnt sich an alles. Auch an die Angst?“

„Ja, was suche ich eigentlich? Das Neue, das Extreme, das Andere. Was gebe ich dafür auf? Ein Zuhause, Zufluchtsort, Sicherheit vielleicht, Halt ganz sicher. Ist es das wert? Ja. Ich habe aber auch keinen Vergleich. Muss nachholen, muss nichts missen. Niemanden vermissen. Und ja, das habe ich mir so ausgesucht."

„Sein und mein Lebenskonzept lassen sich nicht vereinbaren. Stimmt. Aber ist mein Lebenskonzept überhaupt mit etwas kompatibel? Mit jemandem? Vermutlich kann es nur für sich stehen. Vermutlich besteht deshalb die Gefahr, einsam zu werden. Aber das nehme ich in Kauf, daran denke ich nicht. Denn jetzt denke ich nur an mich.“

„Faszinierend. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich endlich weiß, was ich will.“


Und der April?

Ich freue mich auf: Ein wenig Normalität und ein bisschen Brüssel genießen. Meinen Besuch und einen Ausflug ans Meer. Zu Hause, ganz kurz. Regensburg. Ein Konzert. Das alltägliche Abenteuer und das wöchentliche Über-Bord-Werfen meiner Vernunft. 

Jule