Freitag, 20. Mai 2016

Entscheide dich!!! Oder: Was wollen wir eigentlich?

Was machst du heute Abend? – Weiß noch nicht, mal schauen. Je nachdem, wonach mir ist. Entscheide ich spontan.

Festlegen, für was?

Kommst du in drei Wochen mit aufs Konzert von abc? – Weiß noch nicht, mal schauen. Da wäre eigentlich noch die Party von xyz und eigentlich wollte ich noch neue Städte erkunden und eigentlich wollte ich sparen…kann ich das spontan entscheiden?

Festlegen, für wen?

Und dann, dann bist du fertig, Bachelor. Was willst du  machen? – Hm, gute Frage. Erstmal reisen und vielleicht arbeiten, vielleicht ein Praktikum. Mal schauen, was sich so ergibt eben.

Festlegen, wozu?

Ist das euer, ist das unser Ernst?

Niemand kann, niemand will sich festlegen. Treffen auszumachen wird immer schwieriger, immer schwieriger zu planen. Für jemanden, der gerne plant, fällt das natürlich sofort auf, wird das natürlich kompliziert. Aber auch für alle anderen. Auch wenn es praktisch ist, sich im letzten Moment für oder gegen etwas oder für etwas ganz anderes entscheiden zu können, für alle anderen ist es ziemlich anstrengend. Kann man auf dich zählen? Kann man dich mit einplanen? Sollte man sich Zeit freihalten?

Ich will mir nicht ein ganzes Wochenende freihalten, nur damit wir uns an einem Abend eventuell ganz vielleicht spontan sehen können. Ich will nicht auf deinen Anruf warten, der dann kommt, wenn es dir gerade passt. Ich will auch nicht jeden Tag, jede Stunde meines Lebens durchplanen. Aber ich will ein bisschen Beständigkeit und ein wenig Zuverlässigkeit und merke gleichzeitig, dass mir selbst das immer schwerer fällt.

Was, wenn sich mir im letzten Moment eine viel bessere Option bietet? Wenn ich dann schon anderweitig zugesagt habe? Etwas verpasse?
Was, wenn ich ihr zusage, er dann aber doch Zeit hat? Will ich ihn nicht so viel lieber sehen? Aber will ich ernsthaft auf ihn warten?

Was willst du eigentlich?

Das ist wohl die wichtigste Frage. Ich will reisen, etwas von der Welt sehen, Berufserfahrung sammeln, etwas Geld verdienen, ich will all‘ das und noch viel mehr, am besten auf einmal. Zu viel? Vielleicht ja nicht, vielleicht lässt sich das alles kombinieren, aber dafür muss ich planen, überlegen, etwas tun. Mich bewerben, mich informieren und mich festlegen. Vielleicht nur auf eine Option, vielleicht nicht die beste, vielleicht eine, die sich als die beste erweist. Von nichts kommt nichts, wohl wahr. Das schließt nicht aus, dass sich durch einen glücklichen Zufall eine Möglichkeit ergibt, mit der man zuvor nicht gerechnet hat, die man nicht einkalkuliert hat. Und ja, dann sollte man vielleicht kurzentschlossen genug sein, diese Möglichkeit zu ergreifen, ohne wirklich darauf vorbereitet zu sein. Ins kalte Wasser springen. Und nach dem ersten Kälteschock neu schwimmen lernen, auf zu neuen Ufern eben.

Was willst du eigentlich?

Ich will einen coolen Sommer erleben, Spaß haben, Zeit mit Freunden und mir selbst verbringen, das Leben genießen, ihn wiedersehen. Das wollt ihr auch, nicht wahr? Aber spielt der Ort wirklich noch eine Rolle dabei? Oder das, was man macht? Eigentlich ist fast jedes Gespräch mit dir, egal, ob im Bett, im Auto oder auf einer Parkbank, eine größere Bereicherung als jedes Konzert, jedes Festival und jeder Städtetrip. Der Tag ist doch schon ausgefüllt mit dir und mir, dazu braucht es keinen Schnickschnack. Und wenn ich Lust auf Gesellschaft habe, dann ist es egal, wo und was wir machen, Hauptsache wir verbringen Zeit miteinander. Und wenn ich dich wiedersehen will und weiß, dass ich das will, dann fahre ich auch durch das halbe Land und dann plane ich das auch und kann es gar nicht bereuen, kann nichts anderes verpassen. Weil ich weiß, dass ich das will.

Was willst du eigentlich?

Heute Abend? Da habe ich keine Zeit, habe ihr versprochen, dass wir uns sehen. Morgen? Da bin ich verplant, gehe ins Kino. Übermorgen? Da will ich mir einen gemütlichen Abend machen, nur ich. Egal, wofür oder für wen oder für was ich mich festlege: Das ist kein Arbeitsvertrag. Oder noch schlimmer, das ist auch kein Ehevertrag. Ich kann immer noch absagen, mich umentscheiden, etwas ändern, kann immer noch Zurück, wenn es denn notwendig ist oder wenn es nicht anders geht oder wenn es darum geht, was mir gut tut. Letzteres kann von Tag zu Tag verschieden sein, klar, aber normalerweise wissen wir doch, was uns gut tut. Normalerweise weiß ich, was ich will. Und klar, manchmal will ich mich bewusst nicht festlegen, will alles auf mich zukommen lassen, will ein bisschen überrollt und vielleicht überrascht werden. Aber manchmal will ich auch einfach noch die uns verbleibende Zeit hier mit euch genießen und das erfordert eben ein wenig Planung. Manchmal will ich auch einfach viel zu viel.

Was will ich eigentlich?

Ich will meinen Weg gehen, mein Ding machen. Aber mit Rücksicht auf andere. Ich will etwas bewirken, ein bisschen zumindest. Glücklich werden, andere glücklich machen. Und das ist manchmal einfacher als man denkt. Dazu braucht es oft keinen Poetry-Slam, kein Konzert, keine Party. Nichtmal Schuhe oder Schokolade. Glück kommt mit relativ wenig aus, braucht keinen Schnickschnack. Nur deine Aufmerksamkeit. 

Das heißt, wir können uns alle dem Moment widmen, den wir gerade echt und real erleben und müssen nicht in Gedanken Terminkalender wälzen, können Fragezeichen ausradieren, die uns dazu bringen unsere Entscheidung für diese eine Option anzuzweifeln und sie zu bereuen. Es gibt keine bessere Option, es gibt nur den besten Umgang mit deiner Entscheidung. Und dann vielleicht den besten Moment. 


Jül

Sonntag, 1. Mai 2016

Bunte Kiste: April 2016

Abschied, Aufbruch und Ankommen. Platzsuche. So viel Platz jetzt.



Gefreut über: den falschen Bus, weniger „Deutschheit“, eine Jazzbar, einen Ausflug ans Meer, Wattwurm-Häufchen und Bananensalat, Sonne satt und Flohmarkt-Gefühle, erfolgreiches Verhandeln und den schönsten Rucksack, den ersten Sonnenbrand, die letzte Woche, die coolste Crew und zu viel Wein, eine gestellte Frage, Injera und St. George-Bier, verkatertes SecondHand-Shopping, die, die mir das erneute Umziehen und Ankommen leichter gemacht hat, Club Mate, ein signiertes Album, gebuchte Flüge, einen endlos langen Kaffeeklatsch, Campus-Gefühl und Seelenverwandtschaft, Punkmaus-Erinnerungen, die (zweit)beste Band des Jahres und den besten Brunch, Zirbelnüsse, eine geniale Live-Show, doch nicht so viel Schüchternheit, Mitternachtssnacks, kulante Polizisten, Schildkröten und Wiedersehen, mehrere, über eines ganz besonders.

Geärgert über: einen Fehltritt.

Auszüge aus meinem Tagebuch:

„Langsam weiß ich, was er meinte. Weil ich abgeschlossen habe. Weil ich losgelassen habe. Und frei bin. Richtig frei. Und das will ich um keinen Preis aufgeben, will es für nichts und niemanden aufgeben, nie wieder. Denn Freiheit überfordert mich nicht mehr, im Gegenteil. Ich bin ihr gewachsen, bin an ihr  gewachsen, darüber hinaus. Ich folge meinem Herzen. Und das hängt nur an Freiheit. Und vielleicht an Brüssel :)“

„Das merke ich mir für nächste Mal. Ich muss mich zu nichts verpflichtet fühlen.“

„Ich hatte mich schon gewundert, dass mir der Abschied so leicht fällt, von ihnen und sogar von ihm. Dann höre ich dieses bescheuerte Lied und mir kommen auf einmal die Tränen. Denn ich will nicht weg, zu sehr ist mir diese Stadt ans Herz gewachsen. Gut, dass ich weiß, dass ich wiederkommen werde.“

„Bin ich jetzt sogar zu naiv, um mich selbst realistisch einschätzen zu können?!“

„Vermutlich ist es meistens vorteilhaft, immer nur das Positive zu sehen. In diesem Fall war es fatal. Alle Vorzeichen, Warnungen und blinkende Ausrufezeichen übersehen. Ignoriert. Und jetzt habe ich den Trümmerhaufen vor mir, darf wieder mit Aufräumen beginnen, von vorne. Mechanisch, zu oft schon. Wenigstens brauche ich jetzt keine Bedienungsanleitung mehr und auch keine Hilfe, ich weiß wie Wiederaufbau funktioniert. Mühselig ist es trotzdem. Und ernüchternd.“

„Ich dachte, er kennt mich gut, richtig gut. Aber tut er nicht, irgendwas war anders. Ich war anders.“

„Nein, noch ist nichts verloren, im Gegenteil. Vielleicht habe ich das gebraucht, um neue Kräfte zu entwickeln. Ein Schlag, unerwartet, um ihn nächstes Mal abwehren zu können. Und das werde ich. Denn ich gehe immer noch als Siegerin aus dieser Schlacht hervor.“

„Ich verabscheue unser Verhalten, unsere Gesellschaft, dieses System. Und spiele trotzdem mit. Mit eigenen Regeln setze ich mich gleich Schach matt.“

„Wieso nur sind manche Menschen so blind für das, was um sie herum passiert?“

„(…) Aber nichts zu hoffen, nichts zu erwarten, zwanglos. Ja, das ist wohl das richtige Wort. Ein verdammt neues Gefühl. Komplette, absolute Freiheit, seltsam fühlt sie sich an. Seltsam fühlt es sich an, mit dir zu reden und nicht berührt zu werden. Seltsam, auf einmal so viel Platz zu haben, so viel Raum. Ich weiß noch gar nicht, wie ich den füllen soll."

 „Oh ja, wir wollen die ganze Palette, alle Farben ihrer Mütze und alle Farben des Regenbogens. Denn wir haben die Wahl, die freie Wahl, Riesenauswahl. Das werden wir nutzen, tun wir jetzt schon.“

„Irgendwie ist die ganze Bewunderung weg. Und jetzt? Ist ganz viel Platz für Neugier, Respekt und Vertrauen, vielleicht. Vielleicht ist das ganz gut so, in einer Freundschaft ist zu viel Bewunderung irgendwie fehl am Platz. Freundschaft geht nur auf Augenhöhe.“

„Wem wollte ich es nochmal rechtmachen?! Gut, dass ich immerhin da stur bleiben konnte. Gut, dass ich mich nicht noch zu mehr hab‘ überreden lassen. Gut, dass ich Prinzipien habe. Denn so kann er mir nicht noch mehr Vorwürfe machen. Und ich brauche mich auch nicht schuldig fühlen, schließlich bin ich niemandem zu irgendetwas verpflichtet, ihm erst recht nicht.“


Und der Mai?


Ich freue mich auf: Krankenbesuche, Luft zum Atmen, Frühling, den Berg und das erste Festival :)

Jule