Sonntag, 31. Dezember 2017

All good things...

Uganda.

Meine heimliche Liebe. Durfte das natürlich nie zu laut sagen, hing und hängt mein Herz doch an Ruanda. Aber ja, hier bin ich ins Jahr 2017 gestartet, am Victoria See. Bin weitergereist, in den Norden. Alleine. Einsam war ich nie, ich hatte ja mich dabei. Und meine neu entdeckte Spontanität, und Gelassenheit. Ich habe gemerkt, was es heißt, Verantwortung für sich zu übernehmen. Den Moment zu genießen. Pläne zu verwerfen. Habe gemerkt, was es heißt, jemanden zu vermissen.

Wasserfälle. Staub und Dürre. Brennende Hitze, brennende Erde. Trockener Mund und glänzende Augen. Erde als Feuerball. Hühner unter den Sitzen und Sterne über den Köpfen.

 “I know that I am sensitive and emotional. Trying to hide it just makes things worse. True balance comes from within, I gotta fight that fight first.”

“I am not the only one who is afraid. Afraid of being hurt. We both are. We all are.“



Kenya.

Nationalpark, mit dem Rad. Auf Felsen geklettert und Vulkane bestiegen. Wilde Natur. Ich habe gelernt dem Leben zu vertrauen, denn es fängt uns auf, immer wieder. Freier Fall mit Fallschirm. Dinge passieren nicht ohne Grund. Diese eine Begegnung in einer Kunstgalerie in Nairobi sollte Folgen haben.

Ruhe. Weite. Dunkelblauer See. Esel am Straßenrand, meine Lieblingstiere, immer noch. Lachende, schreiende Menschen. Leidenschaft und Aggressivität liegen so nah beieinander. Gleißende Hitze und Impulsivität. Menschengewimmel. Soul Train. The scars along the way. Drückende Stille. Glitzerndes Wasser. Call it bioluminescence. Or magic.

 „This was the most difficult part: This journey is also a journey to myself. Being surrounded by so many inspiring people, talented artists, strong women, made me feel insignificant. I was the most introverted version of myself. Intimidated and full of doubts, full of fear, but also full of inspiration. To overcome this feeling has been challenging, more than any volcano hike. I haven’t reached my limits yet, I haven’t reached the summit yet. This is an ongoing journey and the view is stunning.”



Tanzania.

Hitze. Glück. Freundschaft. Durchtanzte Tage und durchtanzte Nächte. Meer und Strand und Sand. Vertrauen. Musik, die den Horizont erreicht und Sonnenstrahlen bricht. Schlimmster Sonnenbrand. Vom Salzwasser verklebte Haare, Sommersprossen und Sternschnuppen. 

„What are the colors of tolerance?“



Rwanda.

Die letzten Tage, die schönsten. Lagerfeuergespräche. Nähe, Vertrautheit. Regen.

 “What about the unspoken words? The ones that gather in your heart and wander on your face? They are engraved in your gestures, so why don’t you just spit them out? People deserve these chunks of truth. I deserve them. Even if I’m able to read between the lines.“


„Wie beweglich ist Identität, wie beständig Veränderung?“


Germany.

Ich bin heimgekommen und bin es nicht. Kulturschock, andersherum. Ich habe gezweifelt und nichts mehr verstanden. Mich nicht mehr verstanden.

„Kaffeeduft erfüllt das Haus, aber es riecht nicht nach Zuhause. Es riecht fremd und vertraut zugleich, ein Geruch, den ich auf einmal abstoßend finde, wie so vieles hier. Wieso haben wir auch so viel Zeug? Niemand braucht es, niemand benutzt es, denke ich und gehe in mein altes Zimmer, in dem zu viel Zeug steht. Setze mich an den Schreibtisch, nehme einen großen Schluck Kaffee, der mit meiner geliebten Sojamilch immerhin ganz gut schmeckt und starre aus dem Fenster. Ich überlege, wieso sich meine Stimmung nicht ändert, wieso ich sie nicht ändern kann, vielleicht weil ich sie nicht ändern will. Vergleichbar mit einer dichten, grauen Wolkendecke, aus der es immer mal wieder regnet und unter der es zwar erdrückend ist, aber irgendwie auch widerlich gemütlich. Zu einfach ist es, mich im Schlamm zusammenzurollen und zu vermissen, zu viel Überwindung kostet es nach der Sonne zu suchen, ist sie ja doch nicht die Sonne Afrikas.“

„Zurückkommen, nicht nach Hause kommen. Sich verloren fühlen, heimatlos. Gestrandet, auf der falschen Insel, gelandet, auf dem falschen Planeten. Vertrautheit, die fremd ist, in der ich mir fremd bin. Heimkommen, nicht ankommen. Sich nicht bewegen können, ruhelos. Nichts, was einen bewegt, was einen anstößt, zum Fliegen bringt, schwerelos. So viel, was einen zum Fallen bringt, haltlos.“

„So schwer ist es, dieses Gefühl, diesen Zustand zu erklären, verständlich und begreiflich zu machen. Vielleicht vergleichbar mit einem Vogel, der gerade erst Fliegen gelernt und sich jetzt einen Flügel gebrochen hat. Mit ausgelatschten Schuhen, die unglaublich bequem waren, jetzt aber drücken und scheuern und schmerzen. Mit einem Raum voller Menschen, alle tanzen Walzer, ich aber kann nur Salsa. Ich tanze meinen Stil weiter, falsche Schritte, falscher Rhythmus. Stoße an und ecke an, stolpere und falle, belustigende, fragende, verständnislose Blicke. Pass dich doch an, scheinen sie mir zuzuwerfen, mach mit. Was aber, wenn ich nicht will, Angst habe, meine neu erlernten Tanzschritte zu vergessen? Wenn ich Angst habe, aus meinem Tritt zu kommen? Ausgetanzt.“



Cuba.

Das schien mir die beste Idee in meiner Situation: aufbrechen, auf ein Neues. Ans andere Ende der Welt. In die Wärme, in die Sonne. Und was habe ich gelernt? Sich selbst nimmt man immer mit. Mit all seinen Ängsten und Zweifeln und Unsicherheiten. Vor sich selbst davonlaufen geht nicht. Und: Toleranz hat Grenzen. Meine jedenfalls. Mein Spanisch leider auch.

Strand, Meer, Sonne, Berge. Parallelwelt. In welcher Blase bewegen wir uns? Wandern, vom Weg abgekommen. Wasser wie Transparentpapier oder Glas, glasklar. Unterwasserwelt. Wasserfälle. Nacktbaden. Rochen und Nemo. Aufdringlichkeit. Stunden in Trucks. Unverständnis. Gastfreundschaft und Gegenwart.

„Mittelweg geht nicht allein. Ich komme auf dich zu. Was passiert, wenn du stehenbleibst?“

„Why do we always think that our opinion is the right, that our view of the world the only one?”

“Ich will nur frei sein. Stattdessen lege ich mir selbst Fesseln an. Und das ist alles nur in meinem Kopf.“

„Um mich herum das Paradies. Und in mir tobt die Hölle. Seifenblasen, die platzen. Blut spritzt auf weißen Sand.“

 „Und wie immer hängt alles von mir ab, von meiner Perspektive. Ich mache mich selbst klein und andere schauen über mich hinweg. Ich bin leise und werde überhört. Ich ducke mich und werde zertrampelt.“

„Wie lebt man den Moment, wenn man gar nicht darin sein möchte?“

„Was, wenn ich nicht genug bin?“


Belgium.

Ich dachte, ich wähle einfach meine Lieblingsstadt aus für mein nächstes Praktikum und alles wird einfach. Und wieder habe ich nicht bedacht, dass ich mich selbst mitnehme. Dass ich eine andere geworden bin, dass alles anders geworden ist. Und ich habe gelernt, das zu akzeptieren. Man kann Momente nicht zweimal leben, auch nicht in einen Zug packen und jederzeit wieder aufspringen. Der ist schon lange abgefahren. Und ich suchte ihn an jedem Bahnhof. In Brüssel habe ich ihn auch nicht gefunden. Dafür: Neue Ecken, ein neues Licht auf die Stadt. Zeit für mich, endlich. Etliche Runden durch den Park. Alle schneller als ich, aber das war egal. Durchtanzte Nächte mit dem Verrücktesten. Life is too short, so why not? Abnabelung. Und Zuhause, bei Menschen, in deren Armen. Und ein bisschen mehr bei mir selbst.

„Ich habe aufgehört zu tanzen. Habe mich aus meinem wohlig widerlichen Winterschlaf gerissen und aus dem an meinen Nerven ziehenden Zurückkommkoma geholt. Bin losgerannt, hinaus in diese seltsam sanfte Sonne, mit schwarzer Schwermut und süßer Sehnsucht.“

„Ich dachte, ich wäre schon lange da, wo ich hin wollte. Dachte, ich hätte den Gipfel schon längst erreicht. Und dann wird die Luft auf einmal wieder dünn, ich muss mir meine Kraft einteilen und steige noch ein Stückchen weiter, noch ein Stückchen höher. Und höher, und ich kämpfe. Atemnot. Ich merke, dass der Kampf ein anderer geworden ist. Ich kämpfe nicht mehr gegen mich, sondern mit mir an meiner Seite, mit mir zusammen, zusammen auf einer Seite. Ich und ich. Wir kämpfen um die radikale Selbstliebe. Und die Aussicht ist atemberaubend.“

„I am not your break filler. I deserve more than that. And yes, maybe I provoked and maybe I was unfair. But I was tired of suffering. So I took the knife.”

„Dieser Kuchen gehört mir ganz allein. Mit Schokolade, und Sahne obendrauf. Und ich brauche keine Kirsche, brauche niemanden, um zu genießen, will mit niemandem teilen. Das ist mein Glück, nur ich habe ein Anrecht darauf. Bedingungslos.“

„Und nach diesem lauen Abend, an dem ich so viel mit ihr gelacht hatte, an dem die Bar und das Bier nebensächlich waren, an dem selbst das Erzählen von Schwerem auf einmal leicht war, fahre ich auf meinem Rad durch Brüssel, durch mein geliebtes Brüssel, und fühle mich als wäre ich angekommen. Im Moment. Und dann dieser Abend, an dem Andersartigkeit keine Rolle spielte, nicht einmal die Erinnerungen, die wir teilen. Nur die Erinnerungen, die gerade da geschrieben werden.“

„Zurückkommen, nicht nach Hause kommen. Sich neu fühlen, anders. Gestrandet, um zu schwimmen, durch Schlamm und mit Schmetterlingen. Gelandet, um zu fliegen, über Felder und mit Fischen. Um als Vogel mit den Fischen zu fliegen. Nichts, was nicht zusammenpasst und so viel, was es noch zu lernen gibt. Und damit meine ich nicht nur Tanzschritte.“




Rwanda.

„Yule, just do what makes you happy“. – “Ok, let me find out”. Also bin ich wieder zurück nach Ruanda. Ich weiß nicht wieso, aber ich wusste, ich muss dorthin zurück. Bin also meinem Herzen gefolgt. Das wurde mir erst einmal herausgerissen. Schlag ins Gesicht. Enttäuschung, Misstrauen. Ich wurde beklaut und beraubt. Wurde angelogen und enttäuscht, wurde verletzt. So viel wurde mir klar. So viel wurde mir schmerzhaft bewusst. Und ich bin aufgewacht und habe erkannt, dass es nie wieder so wird wie es war. Dass das gut so ist. Dass Menschen sich verändern, dass Menschen kommen und gehen. Und dass ich mir selbst ein Ruhepol, ein Zuhause sein kann. Dass ich vertrauen will. Und dann hat sich alles gefügt. Puzzle. Ich habe gelebt und gefühlt, intensiv. Ich habe Entscheidungen getroffen, habe losgelassen und mich fallengelassen. Und ich wurde aufgefangen. Ich habe aufgehört zu warten, denn: da draußen wartet genug auf mich.

„Ich tanze, trinke, taumele. Inhaliere. Vergesse mich und alles, was war. Vergesse dich und alles, was wir hatten. Ich tanze. Ich lasse es aussehen wie einen Tanz, niemand wird merken, dass es Flucht ist. Ich versuche zu entkommen. Dem Schmerz, der meine Kopfschmerzen verursacht. Der Erinnerung, die hier an jedem Ort hängt, wie ein feuchter Nebelschleier, der sich nicht abwischen lässt und alle anderen Farben blass erscheinen lässt. Und dem Gefühl, das du in mir ausgelöst hast, wenn du mich angesehen hast.“

„Ich kann mich nur schützen, wenn ich mich selbst bedingungslos liebe. Nur so bin ich gegen Verletzungen gefeit, wenn auch nicht immun. Indem ich mich selbst liebe, bin ich von der Liebe anderer unabhängig. Liebe sollte befreien und nicht einengen.“

„Es gibt kein too soon oder too late. Es gibt auch keinen richtigen Moment. Es kommt darauf an, den jetzigen Moment zum richtigen zu machen.“

“It’s crazy how a brain works.” – “Yes, it can be your biggest treasure and your biggest enemy.” – “It can only be your enemy if you don’t love yourself.”

“You are free. You have everything you need. It is your choice.”

“Let it go, Yule. Let them go. If they don’t want to be in your life, they don’t deserve it. Don’t care about people who don’t care about you.”



Uganda.

Festival vibes. Nyege Nyege magic. Dancing in the mudd and singing in the rain. Happiness is real. Freedom is addictive. I want more!



Kenya.

Diese Begegnung im Februar brachte mich wieder zurück nach Kenya. Nach Nairobi, wo ich Teil einer Ausstellung war. Meine Bilder, dort an der Wand. Of home and belonging. So viele Zweifel waren auf einmal weg, so vieles war klarer. Aufwind. Habe mich auf diese Bühne stellt. Nicht perfekt war es, aber echt. Und ehrlich. Zuspruch und neues Vertrauen. In mich und in Menschen. Freundschaften, Abenteuer. Neue Impulse. Und Kunst.


Germany.

Der Abschied war nicht schwer. Das Ankommen auch nicht. Es ist egal, wo ich bin. Mir geht es gut. Und ich weiß das zu schätzen. Dankbarkeit. Und Mut und Gelassenheit. Bewusstsein. Für die Schönheit des Moments. Neuanfang hier, mal wieder. Bin in eine andere Stadt gezogen und habe neue Menschen kennengelernt, neue Herausforderungen, neue Projekte, neue Freunde. Habe mich eingelebt und will wieder weiter. Raus aus der Komfortzone, meine Flügel sind noch nicht ausgewachsen.

„ I guess I’ve discovered more identities. Suddenly, there is this confident and loud voice that wants to be heard. That doesn’t care much. I don’t care much. I just want to speak up and show some colors.”

 “Yule, you are too far. I am trying to understand you, but I can’t.”

„Schallendes Gelächter, das an diesem Sonntagmorgen von den Wänden dieses kleinen Festsaals widerhallt und sich in den Regentropfen, die draußen an den Fenstern kleben, bricht. Roter Samtvorhang. Auf die Bühne, kommt schon.“

“Ich bin nicht nur mir selbst ein Zuhause, ich bin auch meine eigene Sonne.“

“Confidence is not something you can gain. It is not something you achieve. You’ll be more and more confident when you are eliminating your doubts. One by one.”

 “I know that spending time with me can be exhausting. Not only because I am sometimes late, I am confused and confusing and disorganized. Not only because I have a million things on my mind and am sharing at least half of them. Not only because I do not watch when crossing a street, not only because I interrupt myself and you as well when seeing a bird. Or a cloud. Or a tree. Not only because I can sing the same song for hours and not only because I cannot sing. Not only because I always need to talk about my feelings, not only because I can be the most introverted person you might know on this planet, not being able to have a conversation with human beings, but with myself instead.
Spending time with me can also be exhausting cause I am telling you things that you do not want to hear, maybe. That you don’t understand. That do not fit your way of thinking and that do not fit in your boxes. Why would you open them? Might be a mess. And painful. And scary. Why would you question your way of thinking and the way you perceive yourself and the world? And yourself in this world? Might show you your fears. And doubts. And insecurities.
And yes, I know that spending time with me can be exhausting because I am loud, sometimes, and I am provoking. Everything I want is to test myself, and you and your limits. Let me know before I cross them. Let me know if I am wrong. Let me know if you know better or more or different things than I do. I am happy to learn and I never want to stop growing. But I will not shut the f*** up just because it is getting uncomfortable.”



Following your fears
Is scary
But it’s the only way
To grow wings
That are strong enough
To make us rise

Facing your fears
Is frightening
But it’s the only way
To burn the demons
That were strong enough
To hold us back

Freeing yourself
Is terrifying
But it’s the only way
To become someone
That is strong enough
To show
That we are not strong enough.

That we are enough.


***

Yule