Dienstag, 8. Dezember 2015

Ich will alles. Alles in Maßen.

Ohja, ich fühle mich zurückversetzt, bin wieder Kleinkind, 5 Jahre alt, ungefähr. Stehe im Supermarkt und setze diesen Ort gleich mit dem Paradies, alles bunt, alles aufregend. Ich will alles. Will alles anfassen, probieren, herumtragen, haben, essen, besitzen. Will alles sehen, 180 Grad Kopfdrehung ist nicht genug. 360 Grad? Geht nicht. Ich kann weder alles sehen, noch anfassen, noch bekomme ich ein jedes dieser verlockenden Produkte. Unverständnis, Trotz, Wut. Warum nicht?!

Heute ist jetzt und das Leben erscheint mir wie ein riesiger Supermarkt mit schier endlosem Angebot, nichts, was es nicht gibt. Spaß, Partys, Freunde. Bekanntschaften, noch mehr Freunde. Freiheit, Ungebundenheit, Sex. Nur mit ihm, Nähe. Distanz, wenn ich sie mal brauche. Kleidung, Technik, Schmuck und Schnickschnack. Essen, in allen Farben und Formen. Das süße Leben, schmecken, riechen, verschlingen. Aber wann ist man satt, wann übervoll?

Bis vor kurzem dachte ich, nie bin ich satt, ich will alles, alles und noch mehr, mehr ist nicht genug. Ich kann alles haben. Ich will auf nichts verzichten. Ich will alles mitnehmen. Alles erleben, alles spüren, alles auskosten. Bis vor kurzem dachte ich, nie höre ich auf damit, immer hoch hinaus, immer bis zum Schluss. Und dann noch weiter?

Heute ist jetzt und ich will alles, immer noch. Aber in Maßen. Klingt langweilig? Manchmal, mag sein. Denn manchmal mache ich gar nichts, will ich gar nichts. Und manchmal übertreibe ich, eh klar. Aber dann ist auch wieder gut, ich kann mich besinnen, kann einen Gang runterschalten, oder zwei und komme trotzdem vorwärts. Lieber wähle ich in Maßen als in Massen, lieber selektiv als ohne Anspruch und Begrenzung. Lieber höre ich auf das, was mir guttut, als auf das, was mein Kopf mir sagt. Oder die anderen. Die Gesellschaft. Da entsteht nur Druck und den kann ich nicht brauchen, lieber lasse ich ihn ab und zwar nicht an mir, nicht an anderen, sondern in die Welt. In Versen und Verben, Kunst und Kritzeleien, Quatsch. Und dafür brauche ich Platz, den ich zu wenig habe, wenn ich übervoll bin.


Um mal wieder bildlich zu werden: Natürlich kann man den ganzen Tag planlos Süßigkeiten zu sich nehmen, Hauptsache, man probiert alles, jede Farbe, auch die runden und die bunten. Den Punkt, an dem man satt ist? Verpasst man. Bis zum Völlegefühl. Das ganze Austesten war es dann auch nicht wert. Maßvoller? Man überlegt sich, worauf man Lust hat und genießt, langsam, in vollen Zügen und bewusst. Dieses Stück sauteurer Schokolade, das so langsam auf der Zunge schmilzt, tausend Geschmacksknospen in Schwingung versetzt und mit ein bisschen Fantasie sogar nach Kaffee schmeckt. Ich überlege mir, worauf ich Lust habe. Party, Entspannung. Gesellschaft, Allein sein. Rennen, Spazieren. Stehenbleiben, Innehalten. Und genieße bewusst, diese Nacht mit euch, diesen Abend mit ihm und diese Stunden mit mir. Vielleicht will ich mehr, dann ist das okay, dann gönnt man sich halt ein zweites Stückchen. Dafür ist noch Platz. 


Eure Jül

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