Mittwoch, 28. Oktober 2015

Öfter mal...eskalieren

Das meine ich positiv. Eskalieren im positiven Sinne. Denn dieses Wort hat eigentlich eine negative Konnotation, eine negative Bedeutung. Eskalation meint die Verschärfung eines Zustands oder einer Situation. Steigerung, immer höher, immer weiter, in den meisten Fällen immer schlimmer. Gespräche können eskalieren, Konflikt, Streit, Schlägerei. Verhandlungen können eskalieren, Respektlosigkeit, Beleidigungen, Beschimpfungen, Demütigung. Schon vorhandene Konflikte können eskalieren, sich verschlimmern, ausarten. Unkontrollierbarkeit. Alles Worte, die uns tagtäglich zu Ohren kommen, die uns in Schwarz und Großbuchstaben auf den Titelseiten der Zeitungen entgegenspringen.

Springen ist mein Stichwort. Nach oben springen. Eskalation bedeutet nämlich ganz allgemein, dass ein Zustand oder eine Situation eine qualitativ höhere Stufe einnimmt. Warum nicht im positiven Sinne? Warum nicht all den negativen Schlagzeilen etwas entgegensetzen? Warum nicht positiv eskalieren? Denn ja, ich bin der Meinung, auch positive Gefühle können eskalieren.
Dieses Flattern in der Magengegend, kleines Kribbeln, aus dem auf einmal Schmetterlinge werden, Schwärmerei für einen Menschen, die zu ernsthafter Verliebtheit führt und in echter Liebe eskaliert. Sympathie für einen Menschen kann eskalieren. Ich habe ihn gesehen, ganz kurz nur, da, am Bahnhof. Und dann dieser Wortaustausch, Small Talk eigentlich. Die Art, wie er mit seinen Händen Gesagtes unterstreicht, seinen Kopf schief legt, lächelt, ein bisschen schief. Und dann dieses Gespräch, das so vieles geheim hält und doch so vieles offenlegt. Und das meine anfängliche Sympathie für diesen Menschen eskalieren lässt, sie artet aus, in komischer Faszination und ehrlichem Interesse. Empathie kann eskalieren, finde ich. Da wird man vielleicht urplötzlich Vertrauensperson, war es vorher nie, nicht für sie, und fühlt sich geehrt, möchte zuhören und da sein und wird berührt von ihrer Geschichte, ihren Gedanken, ihrem Leid. Und möchte helfen, dringend, jetzt und effektiv. Wenn Empathie eskaliert, vergisst man einen Moment – oder mehrere - seine Probleme und wird mitgerissen von demjenigen, der sich uns anvertraut hat, dessen Geschichte und Gefühle wir kennengelernt haben. Und man wird Teil davon.

Springen ist immer noch mein Stichwort. Ich bin gesprungen, bis in den Himmel (quasi) und darüber hinaus, bin gefallen. Ich war Teil davon. Ich war Teil von dieser großen, singenden Menschenmasse, die eindeutig eskaliert ist. Ich war auf diesem Konzert und bin mitgerissen worden. Eskalation Deluxe. Die Luft ist aufgeladen, Kurzschlussgefahr, unerträgliche Hitze, so viel Energie. Eine Energie, die uns alle erfasst, uns mitreißt, uns zum Glühen bringt und Emotionen überkochen lässt. Eine Energie, die so ansteckend ist, dass ich nicht anders kann als ihr durch Springen Raum zu geben, immer weiter, immer höher, pure Ekstase trotz totaler Erschöpfung. Die Musik ist zu laut, die Luft zu stickig, der Raum zu eng. Und trotzdem bin ich frei, bin am Ende, habe Spaß ohne Ende. Und reiße die Fäuste hoch.

Eskalation bewegt Dinge, schiebt sie weiter, eine Stufe höher, mehrere Stufen. Eskalation funktioniert besser in der Menge, ist ansteckend, breitet sich aus wie eine Krankheit. Eskalation sollte unser Motto werden, positive Eskalation. Und nein, ich meine nicht nur Euphorie, Eskalation geht tiefer, ist beständiger, verfliegt nicht gleich. Was ist dir wichtig? Welche Werte, Einstellungen? Wofür willst du kämpfen? Gleichheit, Respekt, Freiheit, Ehrlichkeit, Transparenz, Gemeinschaft, Toleranz. Für wen willst du kämpfen? Nicht nur für dich. Für ihn, für sie und für uns. Für eine bessere Welt natürlich. Und jeder von uns ist dafür wertvoll, jeder hat Ideen, Vorschläge, Talente. Die kann man zusammentragen und addieren und eskalieren lassen. Die kann man verbreiten, Funken, kleine Funken überall und dann fängt alles Feuer. So viel Hitze, die was bewirken kann.

Lasst uns zusammen eskalieren. Für ein gemeinsames Ziel, für eine bessere Welt, für Freiheit. Lasst uns positiv eskalieren für die Freiheit, die uns so wichtig ist und die viele noch nicht haben, für die Sicherheit, dank der wir springen können ohne tief zu fallen. Eine Sicherheit, die viele Menschen so nicht kennen. Die nur Eskalation kennen, negativ gemeint.



Und wir hören dieses Lied, reißen die Fäuste hoch, keiner unserer Träume bleibt eine Utopie. Denn alles scheint greifbar. 

Eure Jül

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