Donnerstag, 8. Oktober 2015

Lebe lieber intensiv

Dröhnende Musik in meinen Ohren, wummernde Bässe, so laut, so heiß. Die Luft bebt vor Hitze, vor Klängen, vor Leben und ich atme, bin außer Atem. Muss mich bewegen, muss tanzen. Immer schneller, ich schließe die Augen, sehe nichts mehr, lass‘ mich nur mitreißen von dieser aufgeladenen Stimmung, bin nicht mehr hier und doch ganz bei mir. Ich merke, wie mir heiß wird, zu heiß, bin in einem Wahn, Fieberwahn. Ich lache und reiße andere Menschen mit, lass‘ mich berühren, ich lass‘ mich gehen. Und es fühlt sich gut an, verdammt gut, so verdammt frei.

Ich denke nicht, ich lebe. Ich plane nicht, ich mache. Nein, nicht immer, aber in diesem Moment und in einem anderen und überhaupt viel öfter. Ich feiere diese Reise, diese Nacht, ihn und mich, diesen Moment, dieses Lied, das alles und noch viel mehr. Ich will noch mehr. Ich bin noch nicht satt, noch lange nicht, ich muss so vieles nachholen, so vieles noch erleben, so vieles, was ich auf einmal alles haben kann. Absolute Freiheit. Unabhängigkeit. Das schmeckt noch viel süßer als Zucker, macht noch süchtiger, nach mehr, nach noch mehr Freiheit. Diese Menschen, Komplimente, Berührungen, diese Musik, so viel, was mir zu Kopf steigt, mich benebelt. So viel, was mich leicht fühlen und leichtsinnig werden lässt.

Ich denke nicht, ich will mehr von diesem Glücksgefühl, das so süß schmeckt und mich fast abheben lässt vor Leichtigkeit, totale Euphorie. Ich denke nicht, ich lebe, lebe intensiv. So intensiv, dass ich vielleicht Dummheiten begehe, Risiko eingehe, mich aus dem Fenster lehne, mit dem Feuer spiele, mit ihm tanze. Das habe ich viel zu lange nicht mehr gemacht, viel zu vernünftig war ich. Und jetzt? Springe ich so waghalsig, dass ich von meinem eigenen Mut – oder Leichtsinn – überrascht bin. So überrascht, dass ich noch verrücktere Ideen habe. Was, wenn ich stolpere, falle, mich verbrenne? Dann hab‘ ich ‘ne Geschichte, hab‘ was zu erzählen und hab‘ gelebt, intensiv.

Lächeln, funkelnde Augen. Lippen auf Haut. Kribbelnde Nähe. Lachende Gesichter. Meine Hand in deiner. Worte und Melodien, Klänge und Gesang, viel zu viel Schnaps, Nähe, noch mehr, noch mehr Nähe. Und ich bin immer noch frei, ich kann machen, was ich will. Und ich will so viel, am besten alles jetzt und alles auf einmal, ich will die totale Reizüberflutung. Sehen, Riechen, Hören, Schmecken. Fühlen, ich will das alles fühlen, spüren, will mich endlich spüren und dieses Leben, das so schmerzhaft und so schmerzhaft schön sein kann. Und ich hab‘ keine Angst, ich freu‘ mich drauf.


Nein, ich bin nicht verrückt geworden, bin immer noch vernünftig. Ich denke an morgen und an nächste Woche und an nächstes Jahr, schreibe To-Do-Listen und kritzele 3-Jahres-Pläne auf Kassenzettel. Aber ich habe keine Angst vor dem Morgen, ich weiß, dass ich nicht alles beeinflussen kann, dass vieles einfach kommen wird und dass vieles einfach gut sein wird. Und ich weiß, dass Zeit schnell vergeht, zu schnell, dass ich schon zu viel Zeit verschwendet und verloren habe und das will ich nachholen. Ich will meine Zeit füllen mit Momenten, die so intensiv sind, dass ich mich jederzeit so daran erinnern kann, dass sie wieder greifbar werden. Ich will meinen Kopf ein bisschen ausschalten, kenne das Risiko und die Folgen, ignoriere bewusst und lebe. Lebe bewusster. Ich lebe lieber intensiv. 


Eure Jül

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