Jetzt weiß ich, was mir fehlt, permanent. Bestätigung.
Anerkennung. Bewunderung. Versteht mich nicht falsch, ich will nicht um
Komplimente werben, darum, ein nettes Wort zu erbetteln, das brauche ich nicht.
Will ich auch nicht. Dein Mitleid will ich erst recht nicht. Aber ich möchte,
dass das, was ich tue und denke und bin, Anerkennung findet, in gewisser Weise.
Versteht mich nicht falsch, ich will nicht jedem gefallen und es nicht jedem
recht machen. Das erst recht nicht. Ich will ich sein und anecken und
randalieren und abstoßen. Will, dass über mich gelästert und hergezogen wird.
Dass über mich geredet wird. Ich will Spuren hinterlassen.
Ich wollte dir gefallen, von Anfang an. Am Anfang? War das
unbeabsichtigt. Ich habe dir gefallen und ich habe nicht verstanden, wieso.
Wieso du fasziniert warst von mir. Wieso ich anders sein sollte als all‘ die
anderen. Was kann ich denn? Na, eine ganze Menge. Ich kann schreiben, glaube
ich, denke ich, ich kann denken, größer als andere, bunter. Ich kann albern
sein, verrückt und kindisch, lachen, bis mir die Tränen kommen. Ich kann
kreativ sein, malen, zeichnen, ich kann die Brücke und den Kopfstand und 15
Liegestütze und literweise Kaffee trinken. Ich kann reden, wenn ich will, wenn
ich will, kann ich das sogar ziemlich gut, kann dich mit Argumenten
niederstrecken und mit Redeschwallen lahmlegen. Ich kann gut auswendig lernen,
kann mich leicht begeistern, kann andere damit begeistern und mitreißen und
motivieren. Wenn ich will. Oder vielmehr: Wenn es passt. Und mit dir? Passt es
nicht.
Jetzt weiß ich, was jedem manchmal fehlt. Bestätigung.
Anerkennung. Bewunderung. Versteht mich nicht falsch, man braucht das nicht,
nicht permanent. Man kann sich auch selbst gut loben, hab‘ ich grade schon
gemacht. Aber ab und an tut es gut, zu merken, dass das, was man tut und denkt
und ist, Anerkennung findet. Und dass das, was fehlt, was aneckt, was nervt,
stehen bleiben kann, sein kann, wie es nun mal ist, wie du eben bist. Gesamtpaket.
Ab und an tut es gut, bewundert zu werden. Ich sehe es doch, an deinem Blick,
stolz und unsicher zugleich. Auf Rückmeldung wartend, auf positive natürlich.
Was sagst du dazu? Findest du das gut? Findest du mich gut?
Du hast mir gefallen, von Anfang an. Am Anfang? War das so
leicht. Du hast mir gefallen, ich war fasziniert und wusste nicht einmal wieso.
Ich wusste nur, dass du anders bist als all‘ die anderen. Ruhiger, kritischer,
aufmerksamer. Aber sonst, was kannst du denn? Vieles, was ich nicht kann, vieles,
was mir zeigt, was ich nicht bin und niemals war und niemals sein werde. Du
zeigst mir meine Grenzen auf. Durch alles, was du sagst und tust und bist, wird
mit meine eigene Unzulänglichkeit und mein eigenes Unwissen bewusst. Das tut
nicht gut, das tut weh, das macht neidisch. Und dennoch: Es ist wichtig, mit
sich selbst konfrontiert zu werden. Spiegelbild, ungeschönt. Um sich nicht in
seinen Illusionen von sich und seiner Sicht auf die Welt zu verheddern,
Seilgewirr und Stolperfalle. Um sich nicht blenden zu lassen.
Jetzt weiß ich, was uns allen manchmal fehlt, dir und mir im
Besonderen. Augenhöhe. Akzeptanz. Toleranz. Versteht mich nicht falsch, ein Lob
tut gut, ein nettes Wort, ein Kompliment. Es tut gut, etwas zu erreichen, seine
Lorbeeren und sein Lob ernten, sich in der Sonne des Erfolgs zu sonnen und
stolz zu sein. Aber passt auf, damit erhebt man sich nur über andere. Kann zum
Vorbild werden, zum unerreichbaren Übervorbild, kann abheben, immer höher.
Arroganz, Dominanz, Intoleranz. Pass auf, dass du dich bloß nicht mehr auf mein
Niveau herablässt. Du da unten, was willst du denn. Was kannst du denn. Pass
auf, dass du nicht fällst.
Wir alle wollen uns gefallen, ich mir und du dir, ich dir
und du mir, ich euch und ihr ihnen. Wir sind auf der Suche nach uns selbst und
verlieren uns dabei. Wir sind auf der Suche nach Bewunderung und verlieren sie
in unserer eigenen Selbstverliebtheit. Wir sind auf der Suche nach Halt und
verlieren ihn in der permanenten Selbstlüge von unserer zur Schau gestellten
Identität. Dabei müssen wir nicht gefallen und nicht suchen und nichts
konstruieren, denn wir haben ein Fundament. Charakterstark und echt und nicht
kopierbar. Wir haben alles, was wir brauchen. Wir haben Stärken und Schwächen
und die Fähigkeit, beides zu benutzen, das ist unser Werkzeug. Wir sind eine
unfertige Baustelle, die ihren ganz eigenen Charakter hat. Ecken und Kanten. Die
nicht fertig ist, noch lange nicht. Wir bauen weiter.
Jetzt weiß ich, dass dir eigentlich nichts fehlt. Denn
alles, was du brauchst, hast du eigentlich auch schon. Sei stolz. Auf dein
Können und deinen Erfolg und deine Talente. Sei stolz. Du bist einzigartig und
toll und wunderbar. Aber die anderen sind es auch. Wir sind einzigartig. Wir
alle und jeder für sich. Und niemand sollte zu stolz sein, um das anerkennen zu
können. Niemand sollte nicht stolz genug sein, um es für sich anerkennen zu
können.
Dir fehlt es an nichts. Mir fehlt es an nichts. Und dennoch:
Uns fehlt es an Liebe und Anerkennung, für uns selbst und für andere.
Jule
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