Montag, 20. Juli 2015

Kartenhaus

Ich habe fünf Karten in der Hand, glatt sind sie und farbig. Sie stehen für Hoffnung, für meine Träume, für Gleichgewicht, für Vertrauen und für den Augenblick. Sie bilden das Gerüst, Grundgerüst, für’s Leben. Ich umklammere sie so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten, als müsste ich mich an ihnen festhalten, als müsste ich meine Hoffnungen festhalten, von denen einige zerstört wurden. Als müsste ich meine Träume festhalten, die mir entgleiten wollen. Mein Gleichgewicht, das wackelt und kurz davor ist, zum Ungleichgewicht zu werden. Mein Vertrauen, das so sehr erschüttert wurde, dass ich es jetzt nur noch symbolisch in dieser Karte sehe. Und als müsste ich den Augenblick festhalten, jeden Augenblick, wo es mir so schwer fällt, in eben diesem präsent zu sein. Ich klammere mich also an diese Karten, Spielkarten und fange an zu bauen, Kartenhaus. Ich weiß nicht, wie das gehen soll, wie ich bauen soll, worauf, wie soll das stabil werden. Was ist das Fundament?

Ich baue nicht mehr auf das, was andere zu mir sagen, was andere zu mir hätten sagen sollen. Ich baue nicht auf andere Menschen. Die sind da, die sind wichtig, sind mir eine Stütze, aber nicht mein Fundament, nicht mein einziges. Ich baue nicht auf das, was ich habe, zu schnell kann es einstürzen. Ich baue auf mich. Auf das, was ich kann und auf das, was ich bin. Auf das, was ich nicht kann, nicht bin. Ziele können sich verändern, Menschen können mich täuschen und verlassen, Worte sich verflüchtigen, Erfolg auch. Aber ich, mit all dem, was mich ausmacht, bin da, bin mein eigenes Fundament. Und ich baue, jeden Tag, an meinem Kartenhaus. Mal alleine, mal mit Hilfe. Mal schnell, mal langsam. Langsam und vorsichtig setze ich die Karten aufeinander, behutsam. Herz, Bube, Dame, König. Vielleicht ist ein Ass dabei.

Vielleicht ist das auch alles nur ein Spiel, Spiel des Lebens. Mal hält das Gerüst, mal fällt es in sich zusammen, um wieder aufgebaut zu werden, andere Zusammensetzung, neues Spiel. Und ich ziehe die oberste Karte, decke sie auf und baue von vorne, baue auf mein Fundament. Das ist da, das hält, das trägt mich. Ich trage mich selbst und bin im Umbruch, Baustelle. Bin jeden Tag anders und doch immer dieselbe, immer das gleiche Fundament. Und vielleicht braucht es ab und an ein bisschen Glück in diesem Spiel, denn die Würfel sind noch nicht gefallen.


Die Karten werden neu gemischt. 

Eure Jül

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