Heimkommen und Wegfliegen. Auspacken und Einpacken. Ankommen
und Aufbrechen. Abschied und Vorfreude. Reisefieber und Abenteuerlust. Äthiopien.
Überraschung und Überforderung. Misstrauen und Gastfreundschaft. Lach- und
Laberflashs. Ende und Neuanfang.
Gefreut über: Ankommen in der Heimat, eine Party im
Regen, Zeit in der Sonne und am See, alte Freunde, das Sonnendeck, eine neue
Frisur, den Start meiner Äthiopienreise, Wiedersehen, bunte Eindrücke und eine
andere Kultur
Geärgert über: Packstress, zu wenig Platz im
Rucksack, mein Navi im Handy und meine fehlende Orientierung, aufdringliche
Leute, meine Grenzen und Erwartungen
Auszüge aus meinem (Reise-)Tagebuch:
Dieses Mal etwas ausführlicher, habe ich doch ziemlich viel
erlebt und niedergeschrieben auf meiner Reise nach Äthiopien. Meine Erlebnisse
sind noch ziemlich frisch und ungeordnet, deswegen passen die bunt
zusammengewürfelten Auszüge ganz gut, um meine Reise zu dokumentieren:
„Und jetzt sitze ich
also hier und warte, warte auf den Beginn meines Abenteuers. Komisch fühlt es
sich an sitzen zu müssen, war ich doch die ganze letzte Woche in Bewegung,
hin-und her, rastlos. Heimatlos. Hab mich hin- und hertreiben lassen vom Leben,
von Menschen, war überall ein bisschen, aber irgendwie nicht bei mir. Jetzt
muss ich warten und bin gezwungen, meinen Gedanken zu lauschen, die gehört
werden wollen, die in den letzten Tagen nicht mehr waren als ein
Hintergrundgeräusch, leise plätschernd wie ein Bach, immer da, Gedankenstrom.
Jetzt tauche ich ein bisschen ein und merke, dass der Bach doch nicht ganz so
ruhig ist. Vielmehr sprudeln meine Gedanken, spritzen, viele Tropfen, viele
sind da, viele Gefühle, die ich nicht zuordnen kann.“
„Ja, ich freue mich
auf diese Reise, hab‘ so lange darauf hingefiebert, ja teilweise darauf
hingelebt, dass es sich in diesem Moment verdammt unwirklich anfühlt, anfühlt
als wäre ich Zuschauer, der wartet, dass der Vorhang fällt. Dass die Anspannung
abfällt und die Masken fallen. Aufregung, Kribbeln. (…) Fühl‘ mich nicht wie
der Hauptakteur.“
„…Schwermut. Mut, der
sich schwer anfühlt. Als wäre es jetzt, so kurz vor dem Abflug, anstrengend
geworden Anlauf zu nehmen und Mut zu haben. Davonzufliegen, wo ich vielleicht
gerade erst wieder dabei war anzukommen.“
„…Meine Gedanken sind
mein Wegweiser. Gedankenfluss und ich schwimm‘ mit, mal schauen, wohin die
Reise geht.“
„Bin also in Äthiopien
angekommen, physisch zumindest. Hab‘ mich teilweise echt erschlagen,
überfordert und vor allem hilflos gefühlt. Hab‘ gemerkt, dass ich mir noch so
viel über dieses Land durchlesen kann, aber deswegen werd‘ ich mich in allem,
was anders ist, den ganzen ungewohnten Situationen nicht sicherer fühlen. (…)
Und es war nicht ganz leicht zu merken, dass ich allein total verloren wär‘.
Dabei komm‘ ich gern allein klar, will allein klarkommen.“
„Ich glaube, ich mag
das Chaos in meinem Kopf. Darf nur nicht versuchen zu ordnen. Eintauchen.
Mitreißen lassen. Halt suchen und Orientierung finden. (…) Muss alles auf mich
wirken lassen, Kontrolle abgeben und einfach untertauchen. Ab und zu Luft holen
nicht vergessen.“
„Atmen, einfach
weiteratmen. Von wegen ich mag das Chaos. Es überfordert mich, ich fühl mich
fehl am Platz. Ich will eintauchen, gehe aber unter und werde hin-und
hergerissen von all den Eindrücken, die auf mich hereinprasseln ohne
anzuklopfen, ohne Schongang. Grell, bunt und schwarz.“
„…so unbeholfen. Fühlt
sich verdammt scheiße an. Zu wissen, dass ich alleine nicht wieder auftauchen
könnte, untergehen würde. Dass ich so schnell an meine Grenzen stoße und (noch)
unfähig bin, sie zu überwinden. Dass ich so sensibel und empfindlich bin,
überempfindlich. Überreizt, Reizüberflutung. Schnell, grell und krasse
Kontraste. Ja, das wollte ich, will ich immer noch. Den Filter ablegen und die
Sonnenbrille absetzen – hab' meine eh verloren. Aber das blendet, verdammt.“
„Bin misstrauisch.
Irgendwie hab‘ ich echt irgendwann angefangen, mich auf das Schlechte gefasst
zu machen, Katastrophenvorstellung. Hab‘ Angst enttäuscht zu werden, nicht nur
von dieser Reise, von diesem Land, auch vom Leben. Aber so steh‘ ich mir
irgendwie selbst im Weg, verbau mir selbst den Weg zu allem Schönen. Steh‘ vor
meinen eigenen Türen und verschließe sie, verschließe sie doppelt. Weiß‘ ja
nicht, welche die richtige Tür ist. Was dahinter liegt. Ob sie hinter mir in’s
Schloss fällt und ob ich wieder zurück könnte. Aber ist es jetzt nicht eh schon
zu spät? Ich mach‘ mich mal auf die Suche nach dem Notausgang.“
„Hm. Ich weiß mal
wieder nicht, wie es mir geht, was das alles mit mir macht. Es verändert mich,
so viel steht fest. Aber wie? Keine Ahnung, das ist nicht greifbar, kann nichts
festhalten. (…) Ich komm‘ mir vor wie ein Sprungball, der hin- und hergeworfen
wird, zu schnell. Zwischen Aufprall und in der Luft. Mir gefällt es irgendwie,
von diesen ganzen Eindrücken hin- und hergeworfen, wachgerüttelt zu werden.
Aber nicht von Menschen und meinen Gefühlen. Bin ein Spielball in diesem Chaos:
Schuhputzer, Matratzen, Tiere auf den Straßen, Stromausfall. Musik und Tanz,
Bewegung, Hektik. Kinder, die viel zu jung arbeiten und Frauen, die viel zu
schwer tragen. Löcher in den Straßen und Schmutz in der Luft. Bin aber auch ein
Spielball in diesem Gefühlschaos. Ich will Kontrolle. Oder zumindest
Sicherheit. Klarheit.“
„Ich komme langsam
klar mit dem Chaos, bin nicht mehr ganz so verloren. Muss‘ einfach ein bisschen
auf mich vertrauen und mich darauf einlassen.“
„Extreme, hin-und her,
nichts dazwischen. So viel Raum dazwischen, zwischen uns, unüberwindbar,
Scheinbar?“
„Staubig alles,
schmutzig. Schmetterlinge, kurz vor’m Regen, schön irgendwie.“
„Wie naiv von mir zu
glauben, nichts hätte sich verändert. Viel zu viel Zeit liegt dazwischen. Zeit,
die verändert hat. Zeit, die schnell vergangen, aber mit so viel
Unausgesprochenem gefüllt ist, dass sie sich jetzt wie ein Wattebausch anfühlt. Gedämpfte Gedanken, Schweigen.“
„Busfahrt nach
Woldiya. Landschaft, die an mir vorbeizieht, Berge, Täler, Flussbetten. Affen
und Dromedare. Und Erinnerungen, alte Bilder, die so unwirklich scheinen jetzt,
so als wären sie nie echt gewesen. (…)“
„Viele Leute meinen es
wirklich nicht ehrlich, reden uns an, weil wir weiß sind und weil sie sich
etwas erhoffen, sind nett zu uns, weil sie ‘ne Gegenleistung erwarten. Man kann
natürlich abblocken, alles konsequent ablehnen, sich auf kein Gespräch
einlassen. Ist natürlich auch ein Weg, vermutlich der einfachste, um sich zu
schützen. Aber der richtige? Gibt es da überhaupt richtig oder falsch? Verdammt
schwierig. Man kann ja nicht immer nur misstrauisch sein. Aber naiv sollte man
auch nicht sein. Schließt das eine das andere aus?“
„Bin gerade aufgewacht
und irgendwie passt alles so wie es im Moment ist. Bin in den letzten Tagen an
so viele Grenzen gestoßen, körperlich und geistig, so viele Mauern, die mich
eingeschränkt haben, die ich niederreißen wollte, aber nicht konnte. Und jetzt
bin ich weiter, bin dabei zu akzeptieren, dass mansche Mauern einfach da sind,
um mich zu beschützen. Habe verstanden, dass ich nicht jede Mauer niederreißen,
nicht jede Grenze überschreiten muss und dass ich trotzdem vorwärts komme.“
„Ok, hab’s anscheinend
doch noch nicht verstanden, kann meine Erkenntnis nicht umsetzen. Diese
Wanderung hat mich an meine Grenzen gebracht, vor allem körperlich. Ohne Witz,
ich hab‘ schon lange nicht mehr so was Anstrengendes gemacht. Das lag natürlich
an mir und nicht an daran, dass ich 7-stündige Wanderungen auf 3200m Höhe
schlichtweg nicht gewohnt bin. Ich wollte mir selbst keine Schwäche
eingestehen, wollte die Stärke spielen. Hallo altes Muster: es geht schon noch,
muss noch gehen, muss noch weiter gehen, höher, schneller, besser. Meine
Grenzen? Kann ich schon mal ignorieren.“
„Mehrere Autos und
Trucks sind an uns vorbeigefahren mit vielen Menschen auf der Ladefläche, die
uns angegafft haben als wären sie auf Safari und wir exotische Tiere.“
„Das ist also der
bittere Nachgeschmack.“
„Alter Jule, hör doch
mal auf so sentimental zu sein. Setz einfach einen Punkt dahinter,
Schlusspunkt. Es gibt keine Fortsetzung, Ausrufezeichen.“
„Und wieder packe ich
meine Koffer. Hallo Straßburg, du bist also mein neues Zuhause für die nächsten
2 Monate…mal schauen, was du für mich bereithältst. Ich fühl‘ mich zwar nicht
bereit, aber wird schon werden. Ich vertraue halt einfach mal wieder in das
Leben, es kann ja nichts dafür, dass es manchmal so ist wie es ist.“
Nachdem ich all das abgetippt habe, fällt mir auf, dass sehr viel eher negativ klingt :D meistens schreibe ich nun mal, wenn mir das Schreiben helfen soll klarzukommen, Dinge klarer zu sehen. Die schönen Erlebnisse? Die halte ich meist nur in einzelnen Wörtern fest, oder in Bildern. Und davon gab es jede Menge, ich hoffe, das wird ersichtlich! Abgesehen von allem, was mich überfordert hat, hab' ich auch viel gesehen und erlebt, was mich fasziniert, begeistert, umgeworfen hat. Die Sprache verschlagen und den Atem geraubt hat, nicht nur auf 3200m Höhe ;)
Und der Juli?
Ich freue mich auf: Sommer und Sonne in Straßburg, neue
Leute und neue Aufgaben, Neuanfang überhaupt, Ablenkung und den Abiball von
Schwesterherz :)
Jule