Sommer.
Sommer überall.
Farbe. Farbe überall. Farbe in meinen Augen, in meiner
Nase, in meinem Mund. Ich huste und blinzele und schniefe, aber sehen und
riechen kann ich nichts. Nur fühlen. Ich fühle den Farbstaub in der Luft, ich
fühle ihn auf meiner Haut, wie er sich mit meinem Schweiß vermischt und kleben
bleibt. Ich fühle die Menschen neben mir, lachende, schreiende, singende
Menschen. Die auf und ab hüpfen und mich aus dem Gleichgewicht bringen, aber
damit es ihnen nicht gelingt, reiße ich die Augen auf und klammere mich an den
nächst besten Menschen von ihnen. Oh, groß ist er. Und bunt, sein ganzes
Gesicht ist voller Farbe, nur das Blau seiner Augen sticht hervor. Und die
Lachfalten drum herum. Ich höre, wie er lacht, so laut, dass es sogar den dröhnenden
Bass der Elektrobeats übertönt. Und er sagt: „Du bist ja viel zu klein für
diese Welt, weiter oben bekommst du nicht so viel ab und dafür mehr mit!“. Ehe
ich etwas zurückgeben kann, sitze ich schon auf seinen Schultern. Wahnsinn.
Jetzt sehe ich auch wieder etwas. Menschen, bunte Menschen, bunte Menschen, die
auf und ab hüpfen, andere tanzende Menschen aus dem Gleichgewicht bringen und
Farbstaub in die Luft werfen. Die Luft ist auch bunt. Bunt und staubig und
erfüllt von Musik, von Hitze und von Sommer. Ja, ich bin mitten drin im Holi
Festival und voller Farbe.
Sand. Sand überall. In meinen Haaren, die ich am
liebsten nie wieder kämmen würde. Und in meinem Mund, in dem er zwischen meinen
Zähnen knirscht und versucht, den Geschmack von Zitroneneis zu vertreiben. Sand
ist auch auf meiner Haut, jede Menge sogar. Dort bleibt besonders viel kleben,
Sonnencreme sei Dank. Ich betrachte meinen Arm, seltsam schön sieht er aus, als
hätte ihn jemand überzuckert. Schade, dass Sand nicht nach Zucker schmeckt!
Aber gut fühlt er sich an. Ich bohre meine Zehen in den feinen Riesel und spüre
die einzelnen Körnchen, Muschelstückchen, grabe tiefer, bis der Sand kalt wird,
angenehm kalt bei dieser Hitze. So bleibe ich liegen. Wie lange? So lange, bis
sich meine Gedanken im Kreis drehen, solange, bis die Flut kommt und solange,
bis die Sonne leise, aber mit einem Orchester an Farben im Meer versinkt. So
lange, bis es dunkel wird, bis die ersten Sterne auf dieser kleinen
Nordseeinsel zu sehen sind und ich mir bei der ersten Sternschnuppe etwas
wünschen kann. Dann erst mache ich mich auf den Heimweg und hinterlasse hinter
mir meine Fußabdrücke im weichen, festen Sand.
Sonne. Sonne überall. Das wurde auch Zeit, immerhin
sitze ich schon seit geschlagenen vierzig Minuten auf dieser Baustelle in
Regensburg, die ich mir als Schauplatz für das optimale Foto ausgesucht habe.
Vierzig Minuten, die um fünf Uhr morgens doch eher als Synonym für Ewigkeit
stehen. Doch vergessen ist die Warterei, als die Nacht Platz macht für diesen
rotgelborangen Feuerball, der sich langsam, aber unaufhaltsam den Horizont
emporschiebt. Mir wird fast schwindelig. Nicht, weil ich in ein paar Metern
Höhe auf einem Kran sitze und versuche, eine gute Position zu finden, die es
mir erlaubt, das perfekte Foto zu schießen. Eher, weil ich geblendet werde von
der Schönheit dieses Moments. Und vom Sonnenlicht natürlich. Eben dieses taucht
die Konturen der Baustelle vor mir, der Autobahn zu meiner Linken und der
Felder zu meiner Rechten in ein warmes, goldenes Licht. Faszinierend. Das
finden wohl auch die Vögel, deren fröhliches Gezwitscher ich auf einmal
überdeutlich hören kann und die sich wie ich auf den bevorstehenden Tag freuen.
Einen Tag voller Sommer, voller Sonne.
Eure Jül
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