Sonnenlicht kitzelt meine Nase, unterbricht meine bunten,
wirren Träume mit hellen Pünktchen und lässt mich wach werden. 6:03 Uhr.
Sonnenaufgang. Zu früh, viel zu früh. Verschlafen ziehe ich mir meine geliebte,
so gar nicht peinliche Schlafmaske über die Augen und falle nochmal in einen
leichten Schlaf. Fast schlafe ich zu lange, verheddere mich im Moskitonetz und
springe unter die – eiskalte - Dusche. Immerhin bin ich jetzt wach. :)
Vom roten Sand verfärbte Schnürsenkel.
Socken, die nie wieder weiß werden.
Wind, der mir beim Moto fahren beinahe den schlecht
sitzenden Helm vom Kopf reißt.
Staub, in den Haaren, im Gesicht, überall.
Sonne, in deinem Lächeln, deinen Augen, überall.
Dunkelheit, die sich wie ein Vorhang über – meist sogar
geteerten – Straßen dieser Stadt legt. 18 Uhr. Als hätte jemand das Licht ausgeknipst. Ich weiß nicht,
ob ich mich daran gewöhnen werde, dass die Dämmerung einfach übersprungen wird.
Ich weiß nicht, ob ich mich daran gewöhnen werde, nachts durch die Straßen
laufen zu können ohne Angst zu haben. Ich bin hier sicher, aber Sicherheit hat
auch hier ihren Preis.
Avocados, die ohne Salz und Pfeffer schmecken. Bananen, die
so süß sind, dass sie problemlos als Süßigkeiten durchgehen.
Lichtermeer. Wir gehen lachend aus dieser winzigen Bar, in
der wir uns gerade mit den besten Kochbananen die Bäuche vollgeschlagen haben.
Stockfinster ist es und unter uns liegt die Stadt, die aus unzähligen Sternen
zu bestehen scheint. Wir versuchen, diesen seltsamen Zischlaut nachzuahmen,
aber die Motos kommen auch so, zu auffällig sind unsere weißen Gesichter, zu
verlockend die Aussicht, das Doppelte für eine Fahrt verlangen zu können. Kurzer Wortwechsel auf Kinyarwanda, Englisch und Französisch und ich schwinge
mich auf das Moto, das den Berg hinunter mit mir ins Lichtermeer rast.
Komisch, dass ich gar keine Angst habe, mich nicht unsicher
fühle, keine Zweifel habe. Das ist definitiv neu. Und fühlt sich definitiv gut
an.
Ein bisschen Optimismus, Leichtsinn und Naivität hat noch
niemandem geschadet.
Samosas und Chapati, so heiß, dass ich mir Finger und Mund
verbrenne. Aber viel zu lecker, um zu warten.
Frauen, die die Straße kehren, unermüdlich. Es legt sich
immer neuer Staub auf den Teer. Erinnert mich an Momo.
Ich habe noch nie so große Augen gesehen, denke ich mir, als
ich gebannt an seinen Lippen hänge. Erzählen kann er. Überleben auch.
Ich merk‘ schon, ich werde hier schon wieder leichtsinnig. Aber
es macht unglaublich viel Spaß. Und bei diesen tollen Menschen hier hab ich eh
keine andere Wahl als komplett verrückt zu sein. :)
Dieser Satz, den ich jeden Tag mindestens fünf Mal höre. Ja,
ich habe ein tolles Leben. Das ist mir bewusst, dafür bin ich dankbar, darum
habe ich gekämpft.
Schwer zu durchschauen, was hier echt ist.
Blicke, fragend, beobachtend, stechend, belustigt, fordernd,
fragend, neugierig. Und das nur, weil ich weiß bin.
Komplimente, ehrlich, verlogen, mit Absicht, ohne
Hintergedanken, nett und kitschig, schön und lustig, lächerlich, schmeichelnd.
Und das nur, weil ich weiß bin. Wer ist eine Ausnahme, ist er eine Ausnahme?
Als wäre ich ein Alien, ein Star, jemand, der nicht hierher
gehört, jemand, der anders aussieht, anders behandelt werden muss, weil er
anders ist?
Dieser ekelhaft hautfarbene Gecko, der auf einmal am Fenster
sitzt und mir bei der Arbeit über die Schulter schaut. Diese ekelhaft schnelle
Kakerlake, die sich zwischen Tee und Reis versteckt und einfach nicht zu fangen
ist. Dieser unglaublich bunte Schmetterling, der Loopings über meinem Kopf
dreht, während ich mit jedem Höhenmeter mehr aus der Puste gerate.
Wem kann ich hier trauen? Zumindest schon mal dem Leben,
bedingungslos. Aber Menschen, diesen Menschen?
Es fühlt sich normal an, mit ihm hier zu sitzen und über
Gott und die Welt zu reden, als würde ich schon seit langer Zeit hier leben,
ihn seit langer Zeit schon kennen. Dabei müsste alles neu sein, schließlich hat
sich so viel verändert. Vielleicht bin ich mittlerweile wirklich
anpassungsfähiger, toleranter, noch lange nicht genug.
Jule