Ich blinzle. Sonnenlicht fällt durch den Spalt im Vorhang
und blendet mich, blendet uns. Tagesanbruch. Geschlafen? Haben wir nicht.
Geredet? Haben wir viel. Über Kleines und Großes, Banales und Wichtiges,
Unsinniges und Ernstes. Gefühlt? Haben wir auch. Mitgefühl, vor allem.
Verständnis. Trauer, ein wenig, Hoffnung und Freude, Lust. Und jetzt? Liegen
wir hier und sind uns nah und grinsen uns an, die Nacht ist uns ins Gesicht
gemalt, hat uns gezeichnet. „You have to make a wish“, sagt er, und pflückt
eine Wimper von meinem verschlafenen Gesicht. Gewünscht?
Gewünscht habe ich mir nichts. Nichts, was den Moment
betraf, denn der war gut so wie er war. Aber was dann? Das verrate ich
natürlich nicht, geht ja nicht in Erfüllung sonst, weiß man ja. Was ich in dem
Moment aber nicht gleich wusste, was ich mir wünsche. Mir oder dir oder uns
oder euch oder ihnen. Ratlos. Wunschlos. Aber auch wunschlos glücklich?
Natürlich habe ich Wünsche. Jeder hat sie. Und sei es auch
nur der Wunsch, dass aller so bleibt wie es ist. Der Wunsch nach Beständigkeit.
Oder aber der Wunsch nach Veränderung. Der Wunsch, dass dieses oder jenes NICHT
passiert. Nicht MIR passiert. Sind Wünsche egoistisch? Dürfen sie es sein?
Natürlich habe ich auch Wünsche, die größer sind, die nicht
nur mein beschauliches Leben und mich als Person betreffen. Sondern auch
Wünsche, die meiner Familie gelten, meinen Freunden. Ihnen wünsche ich das
Beste, ihnen wünsche ich Glück und Erfolg und Gesundheit und überhaupt. Habe
auch Wünsche, die uns zwei betreffen, dich und mich. Die nur dich betreffen.
Nur euch, euch alle. Wünsche, die die Menschheit betreffen. Mich mit
eingeschlossen. Wünsche, die diejenigen betreffen, die arm oder krank sind, die
leiden oder Angst um ihr Leben haben müssen. Mich ausgeschlossen. Aber sind
diese Wünsche dann nicht zu generell, zu idealistisch, utopisch, anonym?
Make a wish. Das klingt simpel. Aber wie Prioritäten setzen?
Welcher meiner Wünsche ist jetzt der wichtigste? Ich muss mich ja für einen
entscheiden. Früher habe ich mir immer gewünscht, dass all meine Wünsche in
Erfüllung gehen, die Augen zugekniffen und die Wimper weggepustet. Ohne mit der
Wimper zu zucken natürlich. Aber ich glaube, das hat nicht gezählt, hat auch
nicht funktioniert. Während all das in meinem Kopf vor sich geht, ich den ein
oder anderen unsinnigen Satz von mir gebe, drückt er mir ungeduldig die Wimper
auf meine Nase. „It’s just a wish“. Stimmt auch wieder. Und dann fällt mir
glücklicherweise ein, dass ich viele Wimpern habe und mir nächstes Mal einfach
etwas anderes wünschen kann. Einmal für mich, einmal für dich, einmal für uns,
einmal für euch und einmal für sie. Und dann wieder von vorne.
Das wichtigste ist doch, dass wir Wünsche haben. Wünsche,
dass etwas so bleibt, wie es ist, weil wir erkennen, dass es gut so ist. Es
anerkennen. Und zu schätzen wissen. Träume, wo es für uns noch hingehen soll.
Träume, die uns vielleicht den Weg zeigen. Wünsche, dass etwas anders werden
soll, weil wir erkennen, dass uns etwas nicht gut tut. Es merken. Und verbessern
wollen. Vorstellungen davon, wie eine bessere, gerechtere Welt aussehen soll.
Vorstellungen, die uns vielleicht Ideen liefern, uns motivieren. Wünsche, dass
es ihnen gut gehen soll, weil wir erkennen, dass vieles ungleich verteilt ist.
Es uns stört. Und uns zu Kämpfern macht, zu Mitfühlenden. Wünsche, die uns
menschlich machen.
Und vielleicht braucht es auch gar nicht so viele Wünsche
wie Wimpern. Vielleicht braucht es nur Glaube, Vertrauen und ein bisschen
Feenstaub. Sagt zumindest Peter Pan.
Jule
Ich wünsche mir, dass du nie aufhörst so schöne Texte zu schreiben. <3
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